Vorwort

Zum aktuellen Programm

Liebe Leserinnen und Leser,

neulich bei „Markus Lanz“ (13. Juni), zu Gast eine Neurowissenschaftlerin. Sprechen soll sie angesichts der politisch und medial aufgeregt geführten Diskussion um die Heizungswende über den Wandel der Debattenkultur und den Umgang der Medien mit Streitthemen. An einer Stelle verlässt sie ihr Themengebiet und stellt über den Co2-Ausstoß fest, dass wir, Stand heute, wenn wir so weitermachen wie bisher, noch sechs Jahre, einen Monat und neun Tage Zeit haben. Dann ist unser Klimabudget verbraucht, das für die Einhaltung des 1,5 Grad Limit zur Verfügung steht.
Lanz verwundert: Das kann jemand so genau sagen?
Antwort: Es gäbe Berechnungen, schlaue Menschen hätten sich damit beschäftigt, man könne es bei zuständigen Instituten nachlesen… Lanz hakt nochmals nach. Dann wird hinterhergeschoben: Mit 66% Wahrscheinlichkeit. Darauf Lanz: Nicht unwichtig in diesem Zusammenhang … Tatsächlich verweist das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) selbst darauf, dass es bei der Berechnung viele Unsicherheitsfaktoren gibt.

Nur ein Medienbeispiel von vielen. Aussagen werden einfach apodiktisch in den Raum gestellt, mit dem Etikett Wissenschaft versehen, zu Allsätzen und zu unverrückbaren Wahrheiten erhoben. Inhaltliche Kritik daran wird schroff abgebügelt. Kommt Widerspruch auf, kann allenfalls ein Vermittlungsproblem vorliegen. Die absolut richtige Sache wurde einfach nicht ausreichend erklärt und kommuniziert.

Der Philosoph Sokrates würde wohl so manches von dem, was dort geäußert wird, als „Scheinwissen“ bezeichnen, und der kritische Rationalist Karl Popper würde gar „Schnappatmung bekommen“. Denn für ihn ist klar, dass Wissen nicht immer zuverlässig ist.

Wir können uns täuschen, es besteht grundsätzlich die Möglichkeit des Irrtums. Deutlich wir das in einem popperschen Zitat, das man auf dem Bad Mergentheimer Philosophenweg findet: „Es stellt sich heraus, dass unser Wissen immer nur in vorläufigen und versuchsweisen Lösungen besteht und daher prinzipiell die Möglichkeit einschließt, dass es sich als irrtümlich und also als Nichtwissen herausstellt.“ Sehen, so Popper, könne man das am Beispiel von Schwänen: Früher gingen die Menschen in Europa davon aus, dass die Farbe jedes Schwanes weiß ist. Im Zuge der Entdeckung Australiens im 18. Jahrhundert stieß man jedoch auf Schwäne mit schwarzer Farbe und die Europäer erkannten, dass ihre bisherige Vorstellung unzutreffend war.

Letztendlich warnt Popper damit auch vor einem Schwarz-Weiß-Denken in Erkenntnisfragen und postuliert kritisches Denken. Dieses war schon immer eine zentrale Bildungsaufgabe und müsste heute wohl wieder stärker ins Zentrum gerückt werden. Nach der ursprünglichen griechischen Bedeutung von „kritisieren“ im Sinne von „scheiden, trennen, urteilen, richten, entscheiden“, hat Bildung den Auftrag, die Menschen dazu zu befähigen, Annahmen und Tatsachen auseinanderhalten, Argumente infrage stellen und Sachverhalte interpretieren zu können. So kann man zu eigenen Einsichten und Erkenntnissen gelangen. Für die Bildung darf es meines Erachtens von dem vernünftig reflektierenden Denken durchaus etwas mehr sein.

Ganz im Sinne der eigentlichen Bedeutung von „kritisieren“ lade ich Sie zum Prüfen unserer Bildungsangebote ein.

Andreas Steffel
Leiter Keb Dekanat Mergentheim e.V.

Programm September – Januar 2025

herunterladen