Rückblick

Ein sehr persönlicher Vortrag

Dietmar Mieth sprach über die letzten Wochen seiner Frau

Auf Einladung des Ökumenischen Hospizdienstes und der Katholischen Erwachsenenbildung Dekanat Mergentheim sprach Prof. Dr. Dietmar Mieth im gut besuchten Evangelischen Gemeindehaus über das Sterben seiner Frau, die vor zweieinhalb Jahren die schockierende Diagnose über einen fortgeschrittenen Krebs erhielt und im Januar 2017 verstarb. Und das tat er nicht etwa abstrakt, sondern sehr konkret und auf eine sehr persönliche Art und Weise, so wie er es auch über weite Strecken in seinem 2019 erschienen Buch “Sterben und Lieben“ tut. In diesem führt er seine Gedanken über die letzten gemeinsam erlebten Wochen mit seiner Frau zusammen. Darin eingewoben hat er auch die letzten Tagebuchnotizen seiner Frau. In kurzen Zeilen drückte sie ihre Gedanken und Gefühle aus, die sie in den letzten Wochen und Tage der Schwäche umtrieb. Einige dieser Gedanke zitierte Dietmar Mieth zu Beginn und im Raum bei den Zuhörern war eine innere Berührtheit und ein Mitempfinden zu spüren: „Schmerz, stechend scharf, brennend wie Feuer, dumpf bohrend, packend, krallend, Höllenqualen. Advent, der Tod, kommt zu mir, nimmt mich mit, an Weihnachten. Sterben, letzte Chance, Ungesagtes zu äußern, in Blicken, Gesten, sanften Berührungen. Mein größter Wunsch, hat sich erfüllt: Ich werde vor Dietmar sterben. Keine Ruhe finden, nicht schlafen können, Angst vor Ungewissheit und Schmerzen. Musik zur Ablenkung, ist nicht beruhigend, unerwartet laut und aufschreiend, stundenlang.“

Als bei seiner Frau, so Mieth weiter, Metastasen im Rücken entdeckt wurden, lehnte sie es ab, diese operieren zu lassen und als später Komplikationen auftraten, wollte sie auch keine lebensrettende Operation. Er hätte zwar anders entschieden, aber obwohl es für ihn sehr schwierig war, respektierte er ihre Selbstbestimmung und habe versucht, ihr so viel wie möglich die Liebe zu geben, die sie zueinander gespürt haben. Seine Frau sei der Meinung gewesen, dass wenn man ein erfülltes Leben hinter sich hat und das Versterben ohnehin nur aufgeschoben ist, dass dann der richtige Zeitpunkt sei, zu sterben. Ihr unerschütterliches Gottesvertrauen habe sie in dieser Haltung bestärkt und getragen.

Besonders intensiv sei für ihn die Woche Anfang Januar 2017 gewesen, erzählte Dietmar Mieth. In dieser lebte und übernachtete er mit seiner Frau gemeinsam im Klinikzimmer. Diese Zeit sei durchströmt gewesen von ihrem erfüllten Leben, von dem sie sich erzählten, von Übereinstimmung und wechselseitiger Überlassenheit. Da sie zeitweise zu schwach zum Schreiben war, diktierte sie ihm in dieser Zeit einen Brief an die Enkelin.

Die letzten Tage kann Irene Mieth mit Hilfe ambulanter Palliativbetreuung zu Hause in ihrem vertrauten Wohnzimmer verbringen. Auch Sohn und Tochter sind anwesend und kümmern sich um sie. Noch deutlich vor Augen habe er es, so Mieth, wie er in dieser Situation ihre Hände hält, ihr Gedichte vorliest und ihr eine frei erfundene Geschichte über Jesu Bruder Jacob erzählt. Am 17. Januar 2017 sei sie dann in seinem Arm verstorben.

Auch heute noch spüre er immer wieder, so Mieth abschließend, seine Frau als lebend bei sich. Da sei für ihn so etwas wie Auferstehung mitten im Leben, denn Liebe sei nicht auslöschbar.

Programm September – Januar 2025

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